Die Großen Seen der USA – The Great Lakes – bestehen aus einer Gruppe zusammenhängender Süßwasserseen: Oberer See (Lake Superior), Huronsee, Eriesee, Michigansee und Ontariosee. Von der Fläche her bilden sie das größte Süßwasserseensystem der Erde. Tja, und das allein erklärt, warum man nicht einfach eine Rundreise um die Großen Seen machen kann, es sei denn, man hat wirklich sehr viel Zeit. Und Urlaub.
Am Anfang der Reiseplanung stand daher die Frage, welchen der Großen Seen wir sehen möchten und was der Ausgangspunkt unserer Reise sein soll. Letzteres war schnell geklärt, weil wir noch nie in Chicago waren, wenn man einmal Umsteigen am Flughafen und eine Konferenz nicht mitzählt. Dann rechneten wir die Entfernungen aus, die wir an einem Tag mit dem Auto zurücklegen wollten und suchten uns die Highlights der Region aus. So kam dann eine Rundreise um den Michigansee zustande mit einem Aufenthalt am Oberen See und einem kurzen Blick auf den Eriesee.
Milwaukee
Reist man von Chicago nach Norden am Westufer des Lake Michigan entlang, kommt man durch Wisconsin und da ist Milwaukee der wichtigste Stopp auf der Strecke zu den Great Lakes. Milwaukee ist die Heimat von Harley Davidson und das Harley-Davidson-Museum war auch unsere allererste Anlaufstelle. Es zeigt Motorräder aus der frühesten Geschichte des Unternehmens, historische, prachtvolle Exponate und in einer Ausstellung den Einsatz von Motorrädern in der Wirtschaft und im Militär. Insgesamt kann man 8000 Exponate bewundern, darunter 130 historische Motorräder (z. B. die älteste erhaltene Harley Davidson Serial Number 1 aus dem Jahre 1903 und die 1956 KH von Elvis Presley).
Wir haben in dem wunderschönen Boutiquehotel „Iron Horse“ übernachtet, von dem aus man das Museum zu Fuß erreichen kann. Das Iron Horse Hotel war ein Pionier des Industrial Decor Chics und allein die Lobby mit ihren unglaublichen Balken und Leuchtern ist ein Hingucker.
Milwaukee ist eine der wenigen amerikanischen Städte, die man sich zu Fuß erlaufen kann. Es gibt einen schönen „River Walk“, der Downtown und historische Viertel miteinander verbindet und der Stadt viel an Lebensqualität gegeben hat. An vielen Ecken ist das deutsche Erbe sichtbar und etliche Restaurants bieten deutsche Küche an. Uns hat es kulinarisch der Milwaukee Public Market angetan. Bei so vielen Food-Ständen und Spezialitäten bleibt kein Wunsch offen.
Und wer nach schönen Fotomotiven sucht, sollte unbedingt dem Milwaukee Art Museum einen Besuch abstatten. Es befindet sich unmittelbar am Ufer des Michigansees mit seiner fast endlosen Wasserfläche. Einzigartig am Bauwerk ist das Sonnensegel, das tagsüber geöffnet wird und eine „Flügelspanne“ von 66 Metern hat. Bei starkem Wind und nachts faltet sich das Sonnensegel wieder zusammen. Von Milwaukee ging es am nächsten Tag weiter durch nach Norden zur Michigan Upper Peninsula.
Michigan Upper Peninsula
Die Michigan Upper Pensinsula ist ein echter Geheimtipp, wenn man die Great Lakes besuchen möchte, zumindest für Reisende aus Europa. Es ist eine an Wisconsin angrenzende Halbinsel zwischen dem Michigansee im Süden, dem Oberen See im Norden und dem Huronsee und Eriesee im Osten. Von den Einheimischen wird sie nur kurz „U.P.“ genannt. Zahllose Wasserfälle, State Parks und eine wunderschöne Natur laden zum Wandern und Wassersport ein. Im Winter kann man dort Polarlichter beobachten. Geografisch liegt die U.P. nördlicher als Toronto in Kanada.
Eine gewisse Herausforderung ist die Netzabdeckung auf der Upper Peninsula. Es sei nur so viel gesagt – Landkarten in Papierform haben doch noch ihre Daseinsberechtigung. Unsere Highlights auf der Upper Peninsula waren Kitch-iti-Kipi, die Pictured Rocks National Lakeshore und die Tahquamenon Falls.
Kitch-iti-Kipi
Kitch-iti-Kipi ist ein smaragdfarbener See, der aus einer natürlichen sprudelnden Süßwasserquelle gespeist wird. Der Name bedeutet u. a. „große kalte Quelle“ in der Sprache der Ojibwe. Die amerikanischen Ureinwohner nennen den See auch „Spiegel des Himmels“, was eine wirklich schöne Beschreibung des Ortes ist.
Um die Quelle besser zu schützen, wurde um sie herum der „Palms Book State Park“ angelegt. Am besten erkundet man den See in einem Floß mit Glasboden, das manuell mit Hilfe von Seilen über das Wasser von einem Park Ranger gezogen wird. In dem kristallklaren Wasser sieht man, wie aus dem Boden in ca. 4m Tiefe Wasser sprudelt und das Sediment aufwirbelt. Dazwischen tummeln sich große Forellen. Pro Minute strömen 150.000 Liter Wasser in den See. Der See friert auch in den strengen Wintern von Michigan so gut wie nie zu, da das aus der Quelle strömende Wasser eine konstante Temperatur von ca. 7°C hat. Baden und Schwimmen ist nicht erlaubt, aber angesichts der Wassertemperatur auch nichts, was man unbedingt probieren wollte.
Tahquamenon-Falls
Die Tahquamenon Falls sind der zweitgrößte Wasserfall der USA östlich des Mississippi. Sie reichen vom Bekanntheitsgrad her nicht an die Niagara-Wasserfälle heran, aber das hat auch sein Gutes, da man weitgehend ohne Menschenmassen entlang des Tahquamenon-Flusses wandern und fotografieren kann. Eigentlich handelt es sich um zwei Wasserfälle, deren Zugänge im Tahquamenon State Park sich ca. 6 km voneinander entfernt befinden. Die Upper Falls sind ein zusammenhängender Wasserfall mit einer Höhe von ca. 15 m und einer Breite von ca. 60 m. Im Frühjahr donnern dort Wassermassen von 190.000 Liter pro Sekunde herab. Die Lower Falls bilden eine Kaskade von kleineren Wasserfällen um eine kleine Insel herum. Beeindruckend sind beide und man kommt über gut ausgebaute Wege und Treppen gut an die Wasserfälle heran.
Das Wasser erscheint braun, was daran liegt, dass der Tahquamenon Fluss durch Sumpfgebiete und Wälder fließt, in denen Zedern wachsen. Die Tannine der Zedern färben das Wasser braun und gelöste Mineralien sorgen für Schaum, was den Wasserfällen den Spitznamen „Root Beer Falls“ eingebracht hat.
Pictured Rocks National Lakeshore
Dieser ca. 67 km lange Küstenabschnitt befindet sich an der Nordküste der Upper Peninsula und somit am südlichen Ufer des Oberen Sees. Er untersteht der Nationalparkverwaltung der USA. Der Name ist auf farbige Sandsteinklippen zurückzuführen, die sich bis zu 60m hoch über den See erheben. Die Klippen bilden natürlich entstandene Bögen, Höhlen und Formationen, die stellenweise an menschliche Gesichter und Türmchen erinnern. Mineralien geben dem Felsen in der Nachmittags- und Abendsonne wunderschöne Farben (daher der Name „Pictured Rocks“). Zahlreiche kleinere Wasserfälle strömen in den Oberen See.
Am besten erkundet man die Pictured Rocks National Lakeshore mit einer organisierten Tour mit dem Boot von Munising aus. Bootstouren werden im Sommer und dem frühen Herbst mehrmals am Tag angeboten. Wir waren an einem sonnigen Septembertag dort und der frische Wind führte dazu, dass sich schnell Wellen von 1-2 m Höhe auf dem See gebildet haben. Daher waren wir ganz froh, dass wir uns keinen Kajak gemietet hatten, zumal der See im September so an die 12° C „warm“ ist und die zurückzulegende Entfernung auf dem Wasser nicht unterschätzt werden sollte. Außerdem erfährt man auf dem Boot mit einem Guide einiges über die Geschichte der Region und die Gefahren der Schiffsfahrt auf den Great Lakes. Allein im Oberen See soll es um die 550 Schiffswracks geben.
Nach der Upper Peninsula haben wir einen kleinen Abstecher nach Sault St. Marie unternommen, eine nette Stadt, durch welche die Grenze zwischen den USA und Kanada verläuft. Bekannt ist Sault St. Marie durch die riesigen Schleusen.
Michigan Lower Peninsula
Anschließend ging es über die Mackinac Bridge in Richtung Michigan Lower Peninsula. Diese Hänge-brücke wird liebevoll auch „BigMac“ oder „Mighty Mac“ genannt. Sie ist ca. 8 km lang und ein imposantes Bauwerk, das in nur zweieinhalb Jahren Bauzeit im Jahr 1957 fertiggestellt wurde. Nach der Golden Gate Bridge in Kalifornien und der Verrazano-Narrows-Brücke in New York ist sie die drittlängste Brücke der USA und ein „Historic Civil Engineering Landmark“.
Wenn man in der Region unterwegs ist, lohn sich ein Abstecher zu der Sleeping Bear Dunes National Lakeshore.
Sleeping Bear Dunes National Lakeshore
Der Sleeping Bear Dunes National Lakeshore ist mit seinen schönen, weitläufigen Stränden und Sanddünen am kristallklaren Michigansee ein weiteres, ganz besonderes Fleckchen Erde. Vor ein paar Jahren haben Zuschauer der Fernsehserie „Good Morning America“ die Sleeping Bear Dunes National Lakeshore zum schönsten Ort in Amerika gewählt.
Wenn man ein wenig nachforscht, findet man die Legende der Ojibwe, die dem Ort ihren Namen gab. Eine Bärin namens Mishe-Wokwa mit ihren zwei Bärenjungen versuchte, den Michigansee vom westlichen Ufer aus auf der Suche nach Nahrung zu überqueren. Nur die Bärin gelangte aber an Land. Sie wartete Tag für Tag auf ihre Bärenjungen am Ufer und legte sich schlafen, um ewig auf sie zu warten. Der Große Geist war beeindruckt von der Liebe der Bärin zu ihren Jungen und erschuf zwei Inseln, um die kleinen ertrunkenen Bären zu ehren (South Manitou und North Manitou). Er bedeckte dann die Bärin mit Sand und erschuf so die Sleeping Bear Dune.
Die riesigen Sanddünen sind übrigens nichts, was man bis zum Strand einfach herunterrutscht. Wenn man einmal unten ist, muss man auch wieder hochklettern. Pro Jahr gibt es an die 60 Rettungseinsätze, die um die 3.000 USD kosten und ein Team von 15 Rettungskräften mit Seilen beanspruchen, die Touristen die Düne hochziehen.
Wir hätten gerne noch mehr Zeit für diesen Abschnitt der Reise gehabt. Was man jedenfalls nicht vergessen sollte, wann man dort unterwegs war: Kirschen. Michigan ist berühmt für seine Kirschen. Auch wenn man nicht zur Kirschenernte da ist, gibt es überall getrocknete Kirschen, Kirschen in Schokolade, Kaffee mit Kirscharoma und zahllose andere Spezialitäten zu kaufen.
Das östliche Ufer des Michigansees ist für sich schon eine Reise wert. Wir waren hingerissen von den kleinen netten Städtchen, den vielen Farmständen und den Sandstränden am blauen Wasser. Wenn man sich eine Stadt herauspicken müsste, würden wir uns für Holland entscheiden.
Holland
Holland hat (wie man es bei dem Namen nicht anders erwarten würde) eine niederländische Vergangenheit und Kultur. Selbstverständlich wird dort jedes Jahr im Frühling das Tulpenfestival gefeiert. Und natürlich steht in Holland eine richtige, 250 Jahre alte und funktionierende Windmühle. Der Strand steht den Nordseestränden in nichts nach. Ein Leuchtturm ist auch vorhanden und guten Kaffee findet man in der Altstadt von Holland auch.
Von Holland aus ging es mit frischem Gebäck zurück in Richtung Chicago, bevor wir die Heimreise antraten. Wir hoffen wir konnten Euch ein wenig für diese Gegend begeistern. Wir jedenfalls sind es und werden bestimmt nochmal wiederkommen.
Mir waren die Niagara-Fälle immer überlaufen und einfach zu „groß“.
Die Tahquamenon Falls sind zwar kleiner, aber dafür auch feiner.
Wunderschön anzusehen.
Birgit
Das ist wohl wahr. Hier ist deutlich weniger Massentourismus.
Danke für deinen lieben Kommentar.
Viele Grüße Christian
Die beschreibende Erzählung über die Region der Großen Seen, zusammen mit den atemberaubenden Fotos, hat mich an die Ufer dieser riesigen Wasserflächen versetzt. Es ist unglaublich, über die schiere Größe und Erhabenheit der Seen nachzudenken, und dieser Blogbeitrag vermittelt dieses Staunen auf beeindruckende Weise.
LG
Franziska